Indien Ladakh 3
Wir müssen nochmals nach Leh, um Ausrüstung für unser nächstes Abenteuer zu besorgen, dazu gehören Steigeisen. Seil und Pickel lassen wir uns nicht einreden, Zelt und Schlafsäcke haben wir selber. Unterlegsmatten und genügend Jause kaufen wir auch noch. Dann verlassen wir wieder die Stadt und fahren zurück nach Stok. Dort haben wir einen leerstehenden Acker gefunden, wo wir unsere Lkws parken können. Am Abend passen die Männer die Steigeisen an unsere Wanderschuhe an. Niemand außer Peter ist schon mal mit Steigeisen gegangen. Das kann ja lustig werden.
Wir packen unsere Rucksäcke und kommen gemeinsam
auf ein Gesamtgewicht von 69kg. Das wird aufgeteilt auf 5 Personen und einen
Hund.
Unser Vorhaben:
Expedition Stok Kangri 6.125 m
Die Expeditionsteilnehmer sind:
Bini: sehr trainiert und ergeizig, liebt die Berge, Rucksackgewicht: 16kg
Peter: mag es eher gemütlich, wird von Bini liebevoll "Faulpelz"
genannt, Rucksackgewicht: 14kg
Mathias: durch seine Untentschlossenheit wissen wir bis zum Losgehen nicht,
ob er mitkommt, war vor vielen Jahren professioneller Mountainbiker, nun liebt
er eher das Chillen, Rucksackgewicht: 13kg
Wolfi: der Treibende dieser Expedition: "So
eine Gelegenheit bekommen wir nicht mehr so schnell!" Rucksackgewicht:
13 kg
Verena: die zögernde, die sich nicht sicher ist ob sie mit soll, Rucksackgewicht
11kg
Apollo und Paula unsere Hunde: haben wahrscheinlich die beste Kondition, Apollos
Rucksackgewicht: 3kg
Wir schreiben den 09. August 2012, 08.00 Uhr, das Team ist komplett, wir können starten. Gut gelaunt marschieren wir los. Bald verlassen wir die Asphaltstraße und wandern in den gut sichtbaren Weg in einTal hinein. Immer dem Fluß entlang, vorbei an einer Stupa, wird der Weg nun steiler. Vor uns in der Steilwand sehen wir eine ganze Herde blauer Schafe. Irgendwie ist es schwer zu glauben, dass es Schafe sein sollen, schauen sie doch eher aus wie große Gemsen. Eine Schautafel gibt uns aber Auskunft.
Bald darauf treffen wir auf einen gerissenen Esel. Hier gibt es auch Schakale, Wölfe und Schneeleoparden. Einer von den dreien muß diesen Esel erlegt haben. Unfall war es definitiv keiner.
Wir erreichen einen kleinen, mit Gebetsfahnen geschmückten Pass, dort machen wir eine Jausenpause. Über Geröll und Felsen geht es weiter. Viele Muli-Karawanen kommen uns entgegen. Hier auf diesem Trek gehen die wenigsten mit eigenem Gepäck am Rücken. So blöd sind nur wir und einige wenige. Fast alle buchen eine Tour mit Führer und Träger, so brauchen sie auf fast keinen Luxus zu verzichten. Die Mulis sind schwer beladen.
Wir passieren ein Camp, Freude kommt auf, dass wir die heutige Tagesetappe erreicht haben. Sind wir doch schon länger als 5 Stunden unterwegs, was der Reiseführer vorgibt. Aber Wolfi meint: "Das ist doch eine organisierte Campingtour, die hier ihr Lager hat." Also wandern wir weiter und weiter und weiter...............und es kommt kein Camp mehr. Mittlerweile sind wir schon mehr als 6 Stunden unterwegs. Dieses Camp muß doch das Halbzeitcamp gewesen sein. Es kommt keines mehr vor dem Base-Camp, welches als Ausgangspunkt für die Bergbesteigung dient. Alle Expeditionsteilnehmer sind ziemlich KO, außer Wolfi, der würde am liebsten bis zum Base-Camp laufen. Aber er wird überstimmt, denn wir sehen auf der anderen Seite vom Hang Steinhäuser. Diese werden von den Hirten für einige Wochen im Jahr als Wohnstätte benutzt. Davor sind mit Steinen eingezäunte Pferche, genau richtig für unser Zelt. Bini und Peter haben auch ein Zelt mit, Mathias muß mit einem Lager in den Steinhäusern vorlieb nehmen. Angekommen - machen wir uns an die Arbeit. Die Mauer wird höher gemacht, wir wollen keine unerwarteten Besuche von einem Yak oder Schneeleoparden oder gar von einem Bär. Mit Hilfe der Aufbauanleitung wird unser Zelt das erste Mal aufgebaut. Es schaut ja ganz gemütlich aus.
Das einzige Problem ist die Essensversorgung. Haben wir gestern beim Packen den Hiasi noch ausgelacht, weil er von Decken über Hausschuhe und Gaskocher alles mitnehmen wollte. Nun haben wir das Gscherr! Alles was wir an Jause haben wird in die Mitte geschmissen und aufgeteilt. Richtig satt wird keiner. Was Warmes wäre schön! Teebeutel haben wir, trockene Yakscheiße liegt genügend herum, auch ein wenig Holz, aber einen Topf haben wir nicht. Die Aluminium-Wasserflasche muß herhalten. Es dauert eine Ewigkeit, bis wir Feuer entfacht haben. Wir haben noch nie einen warmen Tee so geschätzt, wie an diesem Abend.
Peter geht bald mal schlafen, er hat ein wenig Kopfweh. Als es zu regnen beginnt, will Wolfi das Feuer in einen der Räume verlegen, denn er will erst schlafen gehen, wenn es finster ist. Der Raum wird zur Rauchkuchl und wir bleiben im Freien, da der Regen nachlässt. Nach Einbruch der Dunkelheit gehen auch wir in unser Zelt. Eigentlich ist es ein 2 Mann-Zelt, aber wenn man ganz viel zusammenrückt, hat auch noch Apollo Platz. Allerdings hat das Zusammenkuscheln den Schlafkomfort etwas behindert.
Am nächsten Tag sind alle fit und wir können unseren Weg ins Basis Lager fortsetzten. Sogar Edelweiß entdecken wir am Weg dorthin.
Zu unserer Überraschung kommen wir nach nur ca. 2 Stunden dort an. Aber wir sind erst auf einer Höhe von 4.980m. Lt. Reiseführer sollten wir das Camp auf einer Höhe von 5.200m erreichen. Denn von dort aus wäre der Aufstieg um mehr als eine Stunde kürzer. Die Jungs im Camp klären uns auf. Ihr Camp hier ist die letzte Versorgungsmöglichkeit vor dem Gipfel. Ca. 6 Stunden dauert es von hier aus. Das andere Camp haben sie angeblich aufgrund mangelnder Hygiene geschlossen, viel besser sieht es hier aber auch nicht aus. Wir bauen unser Zelt auf und gehen noch ein Stück den Berg hoch. Kann ja nie schaden, so nach dem Motto: Gehe hoch, schlafe tief. Da die hauseigene Camp-Bibliothek zur Zeit leer ist, keine Veranstaltungen angesagt sind, bleibt uns nur noch das Zelt zum Schlafen. Um 19.00 Uhr gibt es Essen. Wir freuen uns riesig, haben wir doch gestern nur kalt gegessen. Die Küche sieht etwas chaotisch aus, aber was der Koch darin zaubert, ist wirklich gut. Reis mit Linsen und Gemüse.
Gleich darauf gehen wir schlafen. Sicherheitshalber fotografieren wir noch den Weg zum Gipfel, damit wir uns nicht verlaufen.
Apollo muß heute bei Mathias schlafen, war es gestern doch ein bißchen zu eng. Treffpunkt: 01.00 Uhr morgens, da sollte es los gehen. Bereits um 23.30 Uhr werden wir munter. Einige stapfen vorbei ins Klo und leuchten dabei mit ihren Taschenlampen ins Zelt. Die ersten brechen sogar schon auf zum Gipfel. So früh? Der Lärm rundherum und die Höhe bringen keinen rechten Schlaf, wir wälzen uns von einer Seite auf die andere. Da alle von unserem Team bereits munter sind, beschließen wir, aufzustehen und auch loszumarschieren. Die Uhr zeigt 00.30. Die Küchenbrigade schläft noch und den warmen Tee, den sie extra für uns vorbereitet haben, steht im Küchenzelt. Wir finden die Thermoflasche leider nicht. Mit einem leichten Rucksack, kaltem Wasser und Stirnlampe bewaffnet, steigen wir schlaftrunken die ersten Höhenmeter aufwärts. Mit uns eine Karawane von "Möchte-gerne-Bergsteigern", so wie wir halt. Man sieht nur die Stirnlampe im Dunkeln leuchten. Die Bergsteiger teilen sich auf, manche gehen schneller, manche langsamer. Man merkt, dass die Luft zum Atmen immer dünner wird. Der Pfad ist leicht zu finden. Es kommen die ersten Hindernisse. Eisige Passagen, die wir überqueren müssen, dann haben wir den Gletscher erreicht. Die Luft wird immer kälter. Verena hat kalte Finger und Zehen und erwärmt sich nur sehr schwer. Wir stapfen durch den Schnee, und überqueren Gletscherspalten. Die Regenhosen, die letzte Schicht, die wir noch haben, ziehen wir auch noch an. Dann gehen wir der schneebedeckten Südwand vom Stock Kangri entgegen, wo die Gruppen in Serpentinen die Schneewand erklimmen. Die ersten Meter in der Wand wird Verena plötzlich schwindlig und bekommt Schüttelfrost und Bauchkrämpfe. Seit Tagen hat sie immer wieder Probleme mit dem Bauch. Es ist keine gute Idee weiter aufzusteigen und so beschließt die Gruppe, nach 4 Stunden Aufstieg, gemeinsam umzukehren. Wie weit wäre der Gipfel noch entfernt? Aber es hat keinen Sinn. Manche sind froh über den Abstieg, manche tragen sich bereits mit dem Gedanken, es morgen nochmals zu probieren. Wir lassen die steile Wand, die mit Steigeisen erklommen wird, hinter uns. Wir sind nicht die Einzigen die Umdrehen, auch einigen anderen ergeht es nicht besser. Ein 6.000er ist doch kein Honiglecken. Einen letzen Blick zurück auf den Berg, der in der Morgensonne leuchtet.
Auch der Abstieg zieht sich noch, bis wir das Basecamp erreichen. Um 07.00 Uhr morgens fallen wir hundemüde in unser Zelt. Nach dem Erwachen, beschliessen wir den langen Abstieg zu unseren Wohnmobilen. Der einzige, der im Camp bleibt, ist Wolfi. Er will es am nächsten Tag nochmals versuchen...................
Wir trauen kaum unseren Augen, als Wolfi am nächsten Tag kurz nach Mittag um die Ecke zu unseren Womos kommt. Wahrscheinlich hat ihm das Wetter einen Strich durch die Rechnung gemacht. Aber als er dann zu Erzählen beginnt:
"Kurz vor 01.00 Uhr starte ich, da an
Schlafen nicht mehr zu denken ist. Diesmal finde ich den Tee, den die Jungs
für mich vorbereitet haben und mache mich auf dem Weg. Am Vorabend hat
mir ein nepalesischer Guide erklärt, dass er mit seiner Kundin um Mitternacht
langsam losmarschiert und ich daher immer seine Lampe im Dunkeln der Nacht
sehen könne. Es sind bereits einige Gruppen am Hang vor mir zu sehen.
Schnell ist der erste Abschnitt hinter mir und als ich das ehemalige ABC-Camp
erreiche, ist nur mehr ein Team vor mir. Diesmal wähle ich einen anderen
Weg als gestern und marschiere nicht übers Geröllfeld, sondern den
Gletscher entlang bis zur Markierung wo alle Gruppen den Gletscher queren.
Mitten am Gletscher treffe ich dann auf den Nepali und seine Kundin und staune
nicht schlecht, als sie sich als 2 Deutsche mit Guide entpuppen. Wahrscheinlich
sind sie doch etwas später aufgebrochen als geplant... Unser Tempo harmoniert
nicht so recht und so lasse ich die Truppe bald hinter mir. Verlaufen kann
ich mich hier ja eh nicht mehr, geht es doch nur mehr die Südwand hoch,
links zum Grat und diesen entlang zum Gipfel. Wenn doch, warte ich einfach
auf die nächste Gruppe. Auf dem Schneefeld will ich mir die Steigeisen
anschnallen, aber der Schnee ist schön griffig und so verschiebe ich
es auf später, wenn es glatt werden sollte. Im Traktorschritt geht es
gut voran senkrecht die Wand hoch. 15 Doppelschritte und dann eine Pause zum
Verschnaufen, so wird es gemacht und bald ist der Schnee hinter mich gebracht.
Aber was nun? Weit und breit kein Gipfel zu sehen, noch schlimmer nur Wolken,
oder Nebel über mir. Abrasten und nach einigem Suchen entdecke ich einen
kleinen Pfad im Geröll, der nach links den Hang traversiert und im Nebel
verschwindet. Na wo wird der wohl hingehen, aufi natürlich!
Aus den 15 Doppelschritten werden irgendwann nur mehr 10, dann brauche ich
wieder etwas Zeit um genug Luft in meine Lungen zu pumpen. Wenn ich dann so
mutterseelenalleine am Berg stehe und durchschnaufe blicke ich immer wieder
den Berg hinunter und sehe die anderen Teams mit ihren Stirnlampen im Zickzack
die Wand heraufmarschieren. Das gibt einem ein wenig das Gefühl, nicht
komplett alleine zu sein. Plötzlich ist die Wand zu Ende und ich stehe
auf dem Grat. Es ist nun schon ein wenig heller und ich kann sehen, dass es
auf der anderen Seite etwas steiler ist, als hier und es ist kein Ende zu
sehen, denn die Wolken sind nun unter mir. Auf dem schmalen Grat gehe ich
nun entlang und muß über einen Felsen klettern, der mitten im Weg
liegt. Bist du deppert, da gehts obi, denke ich mir und wundere mich, dass
es hier soviele Menschen bis zum Gipfel schaffen. Ist ja nicht ganz ohne....
Als ich dann auf der anderen Seite vom Felsen runterklettere, entdecke ich
den Steig, der drumherum geführt hätte.
Irgendwann werden die 10 Doppelschritte dann auch wieder gekürzt, denn die Luft wird noch dünner und noch immer bin ich nicht oben. Über Felsenschutt und ein paar Schneefelder geht es noch einmal steil bergauf, dann endlich liegt der Gipfel vor mir. Nur noch ein paar Meter trennen mich von ihm, aber bis ich oben bin, muß ich noch 2 mal stehenbleiben und schnaufen. Kaum oben angekommen ist die Müdigkeit und Anstrengung sofort vergessen und ein Grinsen zieht sich von einem Ohr zum anderen. Ein Jodler durchbricht die Stille, ich habe wieder genug Luft! Unbeschreiblich welche Wellen von Glücksgefühlen den Körper durchströmen... Mein erster Berg mit 6.125 m. Die Wolken haben Erbarmen und geben für ein paar Sekunden einen Blick auf die darunterliegende Bergwelt frei.
Nach einigen Minuten wird es kalt am Gipfel und die Regenhose wird ausgepackt, die kann man hier oben gut gebrauchen und auch auf dem Weg runter wird sie von Nutzen sein. Als nach einer halben Stunde noch immer kein anderes Team da ist, nehme ich meinen Rucksack und steige wieder hinunter. Unterwegs treffe ich dann auf die Deutschen, die die letzten Meter nicht mehr gehen wollen, denn es ist ihnen zu steil in der Wand. Ich muntere sie auf und sie gehen wirklich weiter. Irgendwann treffe ich dann auf den Nepali, der seine Kundin an einem Seil zum Gipfel zieht. Am Weg hinunter sehe ich dann auch die Abkürzungen, die ich in der Dunkelheit übersehen habe....Naja, wird wenigstens der Abstieg nun etwas kürzer. Am Schneefeldrand angekommen nehme ich die ersten Höhenmeter mit den Bergschuhen als Schiersatz, bis ich das zusammenhängende Schneefeld erreiche. Dann wird der Müllsack, den Bini & Peter mir mitgegeben haben, ausgepackt und rutsche damit runter. Nach 5 m stellt es mich schon voll auf, viel zu steil ohne Bremse, mich wirft der Müllsack ab. Nun versuche ich einen Fuß angewinkelt als Bremse einzusetzten und den anderen als Stabilisator und Steuerhilfe auszustrecken. Das funzt und es geht im Höllentempo die Wand hinab, für die ich knappe 2 Stunden gebraucht habe - nun schaffe ich es in 10 Minuten."
Zurück im Basislager, legt er sich für 2 Stunden hin, um dann den Abstieg in Angriff zu nehmen. Wir haben einen Tag zuvor 6 Stunden gebraucht, Wolfi macht es in 3 Stunden. Erschöpft, aber voller Stolz erzählt er uns von seinem Gipfelsieg. Wir freuen uns sehr mit ihm und feiern seinen ersten 6.000 Berg.
Wir kehren nach Leh zurück. Nur ein paar
Tage wollen wir noch bleiben, um unsere Abreise vorzubereiten. Lebensmittel
aufstocken und die Genehmigung für den Tso Moriri, das unser nächstes
Ziel ist, anzusuchen. Verena bekommt Durchfall und das zwingt sie für
ein paar Tage ins Bett. Also verzögert sich die Abreise. So kommt es,
dass wir die Ankunft von Marja & Paul in Leh noch miterleben. Wenn es
so weitergeht, ist das Team vom Pokahra fast komplett. Nach genau 2 Monaten
ist es endlich so weit. Morgen fahren wir. Heute gehen wir auf ein Abschiedsessen
in ein chinesisches Restaurant.
Das bringt das Reiseleben so mit sich, dass man immer wieder neue Freundschaften
schließt, zum Teil sehr intensive, meistens auch noch zu kurz und das
Abschiednehmen ist so eine Sache, die keiner gerne mag.
Für diesen speziellen Anlaß wirft sich unser Hiasi in seine bayrische
Kluft und auch Bini & Peter haben eine Lederhose und Dirndl mit. Es ist
nicht das erste Mal, dass wir es bedauern, unsere Trachten nicht mitgenommen
zu haben. Die leckeren Frühlingsrollen und die schmackhaften chinesischen
Gerichte lassen Vorfreude auf Südost-Asien aufkommen.
Auf dem Nachhauseweg gönnen wir uns
eine Nachspeise. Ein Pan - das ist ein Stück Betelnuß mit verschiedenen
Gewürzen, Kreide und Pasten eingewickelt in einem Blatt. Wir machen es
so wie die Inder, stopfen alles in den Mund und probieren es zu zerkauen.
Dabei entfaltet sich ein für uns sehr gewöhnungsbedürftiger
Geschmack. Es wird immer mehr im Mund, wir kauen und spucken - fühlen
uns schon richtig heimisch.
Tags darauf verabschieden wir uns von der netten Goba Guesthous-Crew, fahren zur örtlichen Wasserfüllstation und weiter nach Thikse. Dort schlafen wir am Parkplatz vom Fuße des Klosterberges.
Bereits um 6.30 Uhr fängt die allmorgendliche Puja an und daran wollen wir teilnehmen. Als wir beim Frühstück sitzen, hören wir bereits die Mönche am Dach in ihre Muschelhörner blasen. Schnell machen wir uns fertig und eilen den Berg hoch. Schon von weitem hören wir die Mönche ihre Mantras rezitieren, eine Art Sprechgesang. Bevor wir uns in den Gebetsraum setzen, besichtigen wir den Klosterkomplex mit all seinen versteckten Räumen. Einer ist für Frauen gesperrt. Der Raum ist für ihre Götter, zum Schutz des Klosters gedacht und Frauen würden die Schutzfunktion beeinträchtigen. Da gibt es die Bibliothek mit all ihren heiligen Schriften, eingewickelt in Stoffen, verschiedene Gebetsräume, die Wohnungen für die Mönche und noch vieles mehr.
Ladakh ist schon eine besondere Gegend und sie
haben auch besondere Eheformen. Da gibt es die Polyantrie (Vielmännerei):
Über Jahrhunderte war es Brauch, dass eine Frau den ältesten Sohn
und dessen Brüder gleichzeitig heiratete und in das Haus der Schwiegereltern
zog. Der älteste Gatte war Familienoberhaupt. Der Alltag war meist so
geregelt, dass nur ein Bruder die Seite der Ehefrau im Haus teilte, während
die anderen auf Handelsreisen oder in den Sommermonaten mit den Tieren auf
der Hochweide weilten. Der Hintergrund dieser Eheform ist: In einem Land,
das nur begrenzte Anbauflächen verfügt, hat sich die Bevölkerungszahl
somit relativ konstant gehalten. Familienbesitz wurde zusammengehalten und
die Felder mußten nicht von einer Generation zur nächsten aufgeteilt
werden.
Diese Eheform ist auch in umgekehrter Weise möglich.
Die Magpa-Ehe: Waren in einer Familie nur Töchter vorhanden, wurde ein
Mann eingeheiratet. Oft war er dann mit allen Töchtern verheiratet. Das
wird sich nun für unsere Männer zu Hause sehr gut anhören und
vielleicht überlegt schon jemand, hierher zu übersiedeln. Aber nun
zurück zur Realität. Für Fortbestand war nun gesorgt, aber
Hof und Besitz bleibt bei den Ehefrauen!
Obwohl diese Eheformen offiziel schon 1941 verboten wurden, gibt es noch einige
alte Frauen mit mehrern Ehemännern. In manchen Tälern wird sogar
noch jede 4. Ehe in dieser Form vollzogen.
Für uns geht es weiter, immer den Indus-Fluß entlang fahren wir gen Osten. Die Landschaft wird immer karger und die Dörfer immer weniger. Bei Mahe biegen wir rechts ab. Noch über einen kleinen Paß und schon haben wir den ersten See erreicht. Es gibt keine Straße zum Tazang Tso, aber kein Probelm für uns, haben wir doch alle einen Allrad.
Bis zum Tso (See) Moriri ist es nicht mehr weit. Ein paar Kurven hinter dem nächsten Berg liegt er. In wunderschönen Blautönen liegt der See vor uns, eingebettet von Bergen mit schneebedeckten Gipfeln. Wir fahren einen Abhang hinunter und parken direkt am Seeufer. Eigentlich könnte man meinen, man sei am Meer. Zumindest um die Mittagszeit, denn da ist es ganz schön warm. Iris und Roland wagen sich sogar ins Wasser, das knappe 10°C hat. Am späten Nachmittag merkt man dann wieder, dass man doch auf einer Höhe von 4.500 m ist, denn ein kalter Wind zieht auf.
Jeden Nachmittag haben wir das gleiche Naturschauspiel. Die Berge rundherum sind wolkenbedeckt, während über dem See ein dunkelblauer Himmel ist. Dann wird es von einer Seite her schwarz, es beginnt zu Regnen und das Gewitter dreht sich im Kreis. Wenn alles endet, können wir einen wunderschönen Regenbogen betrachten.
Wir wollen zum nächsten See - dem Tso Kar. Die Piste dorthin, ist ziemlich unbefahren. Es gibt eine heiße Quelle, aber wenn man reinschaut, vergeht einem das Baden. Dreck und Schmutz überall. Das Gestein neben der Straße ist gelb und riecht leicht nach faule Eiern. Endlich treffen wir auf Nomaden mit ihren Schafsherden. Die meisten Nomaden sind tibetanische Flüchtlinge, die im Sommer mit ihren Herden hier herumziehen. Nach nur 75 km erreichen wir den Tso Kar. Es ist ein Salzsee und vor noch nicht so langer Zeit haben sie hier Salz abgebaut. Wir treffen auf wilde Esel. Deren Zeichnung schaut den domestizierten Eseln gar nicht ähnlich, auch ihr Kopf ist viel größer. Es gibt sehr viele Enten und auch Wildvögel zu beobachten.
Wir sind noch immer auf einer Höhe von 4.500 m und es ist noch immer kalt. So treffen wir uns an den Abenden in unseren Trucks, wo wir zum Fernsehschauen oder Quizabende zusammenkuscheln. Auf ca. 12 m ist das gar nicht anders möglich. Von nun an trennen sich unsere Wege. Iris & Roland und Mathias fahren rechts den Manali Highway entlang zurück nach Leh. Bini & Peter, Marja & Paul und wir fahren links den Manali Highway Richtung Tiefland.
Anstrengende und staubige 450 km liegen vor uns. Drei hohe Pässe müssen wir queren, um wieder ins Tiefland von Indien zu kommen. Auf der Mare Plaines wird eine richtig gute Asphaltstraße gebaut, aber bis diese fertig ist, müssen wir einige wilde Umfahrungen meistern. Der Blick auf das nächste Flußtal entschädigt für vieles.
Wir haben Hunger. Durch die permanente Rüttlerei im Amigo auf den schlechten Pisten, ist jede Pause eine willkommene Abwechslung. Die Ortschaften, wo man was zu Essen und Trinken bekommt, sind saisonale Zeltstädte. Die Menschen verdienen für einige Monate hier ihr Geld.
Der Lachalung La (Paß) (5.059 m) ist nach dem Rhotang Paß der spannendste von allen. Eigentlich ist es ein Doppelpaß. Zuerst rauf, dann runter und dann in engen Kurven den nächsten Berg hoch, um in 21 steilen Serpentinen runter in das nächste Tal zu gelangen.
Wir sehen eine Herde von Ladkhi Urials. Friedlich grasen sie neben der Straße, sie lassen sich vom Verkehr gar nicht stören. Am Abend, als wir gerade die letzten warmen Sonnenstrahlen geniessen, bekommen wir Besuch von einem Yakbullen mit seinen beiden Weibchen. Irgendwie grunzt er komisch. Vorsichtshalber verzieht sich jeder in sein Auto, man weiß ja nie?! Er kommt näher, grunzt noch immer, wälzt sich am Boden. Es sieht irgendwie bedrohlich aus. Er hat aber keine Hörner mehr, also kann auch nicht viel passieren.......... Irgendwann zieht er von dannen und wir sind froh darüber.
Die Landschaft ist grandios. Aber der nächste Pass, der Baralach La, ist eher langweilig zu fahren. Loses Gestein überall. Auch die Brücken sind nicht besonders einladend.
Ein umgestürzter LKW ist der Grund für eine Zwangspause. Ein 2 Achser mit Zementsäcken beladen ist den Hang runtergefallen. 2 Kranwagen befestigt an einem anderen Lkw, versuchen den Lkw zu bergen. Mit Seilen haben sie ihn schon von der Seitenlage in Position gebracht, nun soll er bis zur Straße raufgezogen werden. Einmal reißt ein Seil vom Lkw ab und es muß wieder neu befestigt werden. Nach gut 2 Stunden ist die Aktion beendet und der kaputte Lkw kann nun abgeschleppt werden.
Nach den beiden hohen Pässen wird die Landschaft grüner und feuchter. Wolken bedecken den Himmel, es nieselt leicht. Ob der Monsun noch im Gange ist und reicht er bis hierher in die Berge? Von den Felswänden stürzen hohe Wasserfälle runter. Der große Fluß führt ziemlich viel Wasser, er hat sogar eine Eisenbrücke weggeschwemmt. Wir haben einige Wasserdurchfahrten zu meistern.
Nur noch der Rothang Pass liegt vor uns, dann haben wir die Strecke geschafft. Aber der hat es in sich. Es wird überall an der Straße gearbeitet. Straße ist das falsche Wort, es ist nicht mal eine Piste, es ist eine einzige Schlammschlacht. An manchen Stellen ist der Matsch 20 cm hoch und Marja & Paul mit ihrem Mercedes 308 kommen nicht mehr alleine weiter. Das Abschleppseil wird am Amigo festgemacht und Wobbel durch den Gatsch gezogen.
Es dauert Stunden bis wir den Pass überquert
haben, der Tag war lang und wir freuen uns, einen Schlafplatz zu finden.
Endlich fängt der Wald an, alles ist im saftigen Grün nach dem vielen
Regen, einfach schön! Nach 2 Monaten Mondlandschaft freut man sich um
so mehr auf Wald. Als wir Zapfen an den Nadelbäumen sehen, stoppen wir
und sammeln einige ein. Damit wollen wir einen Schnaps ansetzen. Mal schauen
was daraus wird!
Wir hören, dass vor einigen Wochen ein Wolkenbruch verheerende Schäden angerichtet hat. Und man kann sie noch immer sehen. Eine Eisenbrücke ist vom Wasser mitgerissen worden. Auch die Hälfte der Asphaltstraße ist einfach weggeschwemmt worden. Ein Erdrutsch hat einen Teil der Straße verschüttet. Schon für den Amigo alleine ist es sehr eng, dann noch mit Gegenverkehr von Bussen, da ist es nicht verwunderlich, dass er streift. Zum Glück ist nur die Halterung der Markise beschädigt.
Wir erreichen Manali. Die Himalaya-Berge haben wir hinter uns gelassen und Wolfi und Amigo haben uns gut und unfallfrei über die hohen Berge gebracht. Das letzte Mal, als wir Manali besucht haben, war die Stadt überfüllt mit indischen Touristen. Wir haben nur das notwendigste besorgt, um dann diesen Ort so schnell wie möglich wieder verlassen. Diesmal beschliessen wir, Manali nochmals eine Chance zu geben. Die Parkplatzsuche ist schwierig bis unmöglich. Also bleibt uns nur ein Platz neben der Straße. Die vielen Touristen sind verschwunden, so spazieren wir nach Old Manali, wo die schönen, alten Holzbauernhäuser sind. Und es gibt sie noch. Auch die Menschen, die darin wohnen, gehen ihren alltäglichen Arbeiten nach und wir können zuschauen. Die Frauen weben sogar noch ihr eigenes Gewand. Es sieht aus, wie eine lange Decke, die mehrmals um den Körper gewickelt wird.
Wir fahren weiter ins
Parvati-Valley, wo Marja & Paul einen schönen Platz zum Relaxen wissen.
Wir parken an einem Zeltcamp, direkt neben einem Fluß. Rundherum ist
Wald und würde man sich die Häuser und Menschen wegdenken, würde
man meinen, man sei irgendwo in Österreich.
An den Autos ist allerhand zu machen, die Reifen werden durchgetauscht, alles
wird abgeschmiert, die Markisenhalterung wird neu geklebt, die Fahrerhäuser
werden geputzt und der August bekommt vorne neue Federn. Nebenbei verbringen
wir noch ein paar erholsame Tage mit Spazierengehen, baden in den heißen
Quellen im Tempel vom Nachbardorf, einkaufen und lesen, bevor wir uns auf
den Weg nach Nepal machen.